Dr. Thomas Scheffler, Politologe, Friedens- und Konfliktforscher

Zeitbedingte Vorstellungen von der Funktionsweise des menschlichen Körpers werden seit Jahrtausenden immer wieder auf die Deutung komplexer politischer Vorgänge übertragen, etwa wenn gesellschaftliche Verbände als „große Personen“ und Krisen als „Krankheiten“ imaginiert werden. Thema des Vortrags ist die – teils integrierende, teils ausgrenzende – Verwendung von Körpermetaphern in politischen Krisen, einschließlich der historischen Wechselwirkungen zwischen dem jeweils gängigen Körperwissen und Gesellschaftswissen. Stößt die intuitive Überzeugungskraft von Körperbildern in Politik und Gesellschaft heute an ihre Grenzen? Die moderne Medizin erschüttert heute die Vorstellung vom menschlichen Körper als Monade; Globalisierung und Migration vergrößern die Zahl derer, die sich keinem großen „Körper“ mehr eindeutig zurechnen lassen; und die Suche nach Körperbildern für noch größere, transnationale Lebenszusammenhänge steht, trotz uralter Wurzeln, erst in den Anfängen.