„Häuserkampf ist Frauen*kampf:

 

Feministische Perspektiven auf die Berliner Wohnungskrise“

 

 

Moderation: Gloria Albrecht, Anthropologin, B.A.

Zeit: 11.06.2022, 11:00 – 17:00 Ort: Versammlungsraum des Mehringhofs

Das Wochenendseminar war mit rund 50 Teilnehmenden gut besucht. Als Moderatorin führte Gloria Albrecht durch die Tagung. Das Wochenendseminar, welches am 11. Juni stattfand, diente der Veranschaulichung vergeschlechtlichter Dimensionen des Wohnens. Die allgemeine Frage, die wir uns gestellt haben, ist, inwiefern die Berliner Wohnungskrise auch feministische Perspektiven braucht. Dabei wurden sowohl wissenschaftliche, theoretische Grundlagen erläutert, die Wohnen als patriarchal konzipieren und die Zusammenhänge von Raum und Geschlecht thematisieren, als auch die daraus folgende überdurchschnittliche Betroffenheit von Frauen* bzw. FLINTA*- Personen innerhalb der Berliner Wohnungskrise verdeutlicht werden. Darüber hinaus stellten wir uns als Leitfrage: Wie könnte eine nicht-Patriarchale Stadt aussehen?

Teilnehmenden Referent:innen:

Meltem Katırcı, Sozialwissenschaftlerin und aktiv in antirassistischen und stadtpolitischen Zusammenhängen, u.a bei Stadt von Unten, wo sie an der Durchsetzung des Vergesellschaftsmodels selbstverwaltet & kommunal mitgearbeitet hat.

Vortrag: „Die Wohnungsfrage Feministisch Stellen“ (11.00 – 11.45)

Der Vortrag diente vor allem der historischen Herleitung patriarchaler Bedingungen. Es wurde sowohl die Genese der kapitalistischen Urbanisierung, Entstehung der bürgerlichen Privatsphäre, der Hausfrau und die doppelte Vergesellschaftung von Frauen verdeutlicht als auch die darauffolgende Großstadt als Materialisierung patriarchaler Geschlechterverhältnisse konzeptualisiert. So wurde die Wohnungsfrage aus materialistisch-feministischer Perspektive beleuchtet und mögliche Prinzipien einer feministischen Stadtentwicklung angerissen.

Nina Schuster (Dr. phil.), Soziologin, lehrt und forscht an der Universität Duisburg-Essen und der TU Wien. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Stadtsoziologie und Raumsoziologie, soziale Ungleichheit und Diversität, Gender und Queer Studies, Geographien der Arbeit und Qualitative Methoden.

Vortrag: „Feministische Stadtkritik“ (12.15 – 13.00)

Der zweite Vortrag befasste sich vor allem mit der feministischen Kritik an Macht, Raum und Geschlecht. Darüber hinaus wurde Stadtentwicklung und Gentrifizierung mit intersektionalen Blick diskutiert und die Bedeutung queerer Raumproduktion als Widerstand gegen der vorherrschenden Raumaufteilung.

Anastasia Blinzov, Bildungskoordinatorin Wohnungs- und Stadtpolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie studiert außerdem Dokufilmregie an einer selbstorganisierten Filmschule und ist Teil eines Bootskollektivs, welches ein Kulturfloß auf der Rummelsburger Bucht verwaltet.

Vortrag: „Raumproduktion in Praxis: Der Frauenstadtteil Kreuzberg“ (13.45 – 14.30)

Der dritte Vortrag befasste sich hauptsächlich mit Archivmaterial autonomer Frauenhäuser aus den 1980er Jahren. Anhand exemplarischer Darstellungen wurde das emanzipatorische Potenzial des Wohnens und nicht-patriarchaler Wohnformern dargelegt. Dies verdeutlichte das schon lang existierende Einhergehen von Feminismus und Häuserkampf und zeigte gleichzeitig die Strukturprinzipien solcher Räume.

Podiumsdiskussion

Der zweite Teil der Veranstaltung bestand aus einem praktischen Berlinbezug, welcher die Umsetzung der zuvor besprochenen Theorien exemplarisch darstellen und diskutieren sollte. Dafür wurde eine Podiumsdiskussion organisiert, welche von verschiedenen stadtpolitischen Aktivist:innen und Akteur:innen geführte wurde, die sich mit alternativen Wohnkonzepten befassen. Ihre jeweilige Arbeit spiegelt die verschiedenen feministischen Lösungsansätze zur Umsetzung ihrer Wohnutopien.

Teilnehmende Referent:innen:

Patricia Machmutoff ist aktiv in der AG Öffentlichkeitsarbeit von Deutsche Wohnen & Co enteignen, wo sie Chefin vom Dienst des Social Media Ressorts ist. Darüber hinaus engagiert sie sich beim Netzwerk gegen Feminizide zu den verschiedenen Überschneidungen von patriarchaler Gewalt mit anderen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen.

Jutta Brambach

Geschäftsführung des Rad und Tat – Offene Initiative Lesbischer Frauen e.V. Hausprojekts.
Der Verein setzt sich gegen die Diskriminierung und gesellschaftliche Isolierung lesbischer Frauen ein und informiert die Öffentlichkeit über die gesellschaftlichen Hintergründe von Diskriminierung und Isolation lesbischer Frauen. Ihr Wohnprojekt entsteht in Kooperation mit dem Berliner Senat und der Wohnungsbaugesellschaft WBM und soll in Berlin das europaweit erste Wohnhaus nur für lesbische und queere Frauen werden.

Chantal Benjamin

Arbeitet als „Mutter“ bei den Stadtteilmüttern Neukölln. Seit 2004 vermitteln diese Berliner:innen aus aller Welt Informationen zu den Themen Gesundheit, zweisprachige Erziehung und Wohnen in Berlin zu gleichsprachigen neuankommenden Familien.
Morgan

Aktiv bei FLINTA*STADT, dem Arbeitskreis der Mieter:innengewerkschaft der sich mit Recht auf Stadt und FLINTA-Perspektiven befasst. Sie sind vor allem aktivistischer Natur.

Aus der Podiumsdiskussion ging hervor, dass es dringend eine neue Form des Wohnens braucht. Sowohl das eigentliche Zuhause als die Stadt und der Wohnungsmarkt müsse der kapitalistischen Logik entkommen, denn Kapitalismus = Patriarchat. Dafür wurden verschiedene Ansätze diskutiert: die Vergesellschaftung, eine Repolitiserung der

Nachbarschaft, kommunales und selbstverwaltetes Wohnen, generationsübergreifendes Wohnen, mehr Gemeinschaftsräume, weniger Autos, mehr FLINTA*s in Planungsprozessen.

Die unterschiedlichen Akteur:innen arbeiteten Perspektiven heraus, die die Bedeutung von Geschlecht, Aussehen, Alter, Be_hinderung etc. sichtbar machen. Ziel war es, intersektional zu zeigen, weswegen Frauen* bzw. FLINTA- Personen von den derzeitigen Entwicklungen innerhalb der Stadt überdurchschnittlich betroffen sind und wie man dieser Vulnerabilität entgegenwirken und eventuell auch durch antipatriarchale Wohnkonzepte überwinden kann. Das, – zusammen mit der Vernetzung verschiedener Einzelpersonen und Aktivist*innen- war das Ziel des Wochenendseminars. Auf Grund des positiven Feedbacks der Teilnehmer:innen und Referent:innen und den daraus entstandenen Arbeitszusammenhängen lässt sich schließen, dass uns das gelungen ist. Wir sehen das als Erfolg an.

 

 

 

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Gerät der Nahe Osten aus den Fugen?


Verflechtungen von Ethnizität, Religion und Politik im Dreiländereck


Irak/Syrien/Türkei

 

 

Ausgelöst durch den syrischen Bürgerkrieg hatten sich während der letzten fünf
Jahren in den ethnisch und religiös heterogenen Grenzgebieten der Türkei, Syriens und des Iraks tiefgreifende politische und gesellschaftliche Verschiebungen ereignet. Diese historisch gewachsenen von Staatsgrenzen zerschnittenen multikulturellen Gebiete sind durch ein komplexes Geflecht von divergierenden Machtinteressen, externen Interventionen, diametralen politischen Ordnungsentwürfen, Staats- und Grenzzerfall, politisch motivierter Gewalt und Vertreibungen gekennzeichnet. Bestehende politische Allianzen wurden aufgelöst, neue haben sich gebildet oder sind im Entstehen. Die Angriffe des mit brutaler Gewalt vorgehenden „Islamischen Staat“ in dieser Region und die jüngste Politik der Türkei warfen die Frage religiöser und ethnischer Zugehörigkeiten neu auf.

Mit Vorträgen, Dokumentarvideos und einer Podiumsdiskussion näherten wir uns dem Thema aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven (Ethnologie, Politikwissenschaft, Religionswissenschaft, Kultur- und Rechtswissenschaft), um einen tieferer Einblick in aktuelle politische Dynamiken zu ermöglichen.

ReferentInnen: 

  • Prof. Shabo Talay, Fachbereich Semitistik, FU Berlin, 
  • Dr. Hans-Günter Kleff, Politologe, Berlin 
  • Serhat Ortac, Jurist, Detmold 
  • Banu Yalkut-Breddermann, Ethnologin, Düsseldorf 
  • Prof. Ferhad Seyder, Politologe, Universität Erfurt 
  • Elke Dangeleit, Ethnologin und Journalistin, Berlin 
  • Dr. Thomas Scheffler, Politologe und Orientalist | Diskussionsleitung 

Am Samstag wurde der Film «Hevi» von Yüksel Yavuz gezeigt. Der Regisseur war auch ein Teilnehmer der zusammenführenden Podiumsdiskussion.

Das Seminar wendete sich an MultiplikatorInnen in der Bildungsarbeit, entwicklungspolitische Aktionsgruppen, JournalistInnen, Flüchtlingsinitiativen, Studierende und die interessierte Öffentlichkeit.

Es wurde mit finanzieller Unterstützung des BMZ realisiert.