Dr. Katharina Lange (ZMO)
Der Vortrag zeichnete an einem konkreten Beispiel aus Nordsyrien nach, wie seit 2011 und insbesondere 2012 soziale Akteure auf verwandtschaftliche und ethnisch definierte Diskurse und Solidaritäten zurückgreifen und andere Solidaritäten (Nachbarschafts- und Freundschaftsbeziehungen über ethnische und konfessionelle Grenzen hinweg) in den Hintergrund treten, hinterfragte jedoch auch die Dominanz ethnisch-konfessioneller Interpretationsmuster für die Darstellung der politischen und militärischen Entwicklungen in Syrien.
Die Darstellung dieser Entwicklungen stößt an offensichtliche Grenzen, die nicht nur für dieses konkrete Thema, sondern für ethnologisches Arbeiten in Kriegs- und Krisensituationen insgesamt von Bedeutung sind. Wie können wir in einer solchen, politisch, militärisch und humanitär extrem aufgeladenen Situation ethnographisch arbeiten und ethnologisch argumentieren? Wie positionieren wir uns als Ethnologen in einem öffentlichen Spannungsfeld aus politischer Rhetorik, journalistischen Wünschen nach einfach darstellbaren Zusammenhängen und exotistischen Stereotypen über den Nahen Osten, nach denen politische Konflikte „notgedrungen“ entlang primordialer (konfessioneller, tribaler oder ethnischer) Solidaritäten ausgetragen werden?